Mit Erdung meinen wir eine Verbindung zum Boden, die weit über die taktile Wahrnehmung hinaus geht. Wir finden den Aspekt des Geerdetseins in vielen spirituellen Traditionen. Wenn uns die Meditation nicht erdet, laufen wir Gefahr uns zu verlieren oder zu sehr zu vergeistigen ohne uns zuvor mit unserem irdischen Dasein auseinandergesetzt zu haben. Eine Praxis, die uns mit dem Körper und dem Boden verbindet, schützt uns davor. Ein gutes Beispiel dafür finden wir im japanischen Zen-Buddhismus.
Was hat Amorgos mit Kum Nye zu tun? Eigentlich nichts. Oder doch? - Amorgos ist eine griechische Insel. Ich verbringe viel Zeit hier. Amorgos ist gebirgig, wild und archaisch. Ein Felsklotz im Meer. An vielen Stellen fallen die Berge steil ins Meer hinab - bedrohlich und beschützend zugleich. Abseits der wenigen, kaum befahrenen Straßen Stille und Einsamkeit - die schweigende Insel. Amorgos hat eine ganz besondere Atmosphäre. Fast mühelos kommen Körper und Geist zur Ruhe. Entschleunigung stellt sich ein. Alles kann sich setzen. Vielleicht weil diese Insel schon so lange stabil in der Ägäis liegt, fühle ich mich erstaunlich aufgehoben und geerdet.
Tenzin Palmo ist eine buddhistische Nonne und Meditationslehrerin aus der tibetischen Tradition. In der Ausschreibung für ein Wochenendretreat an der buddhistischen Akademie Berlin findet sich der nachfolgende Text von ihr, den ich sehr berührend finde. Vom Loslassen.
Meditation wird oft als rein geistige Übung verstanden. Begriffe wie "geistiger Weg" oder "Geistestradition" legen das zunächst auch nahe. Abendländisch sozialisiert trennen wir auch gerne zwischen Geist und Körper, Kopf und Herz, Intellekt und Gefühl. Ein Verständnis des spirituellen Weges als rein geistige Übung kann diese Trennung verstärken. Welche Relevanz hat unsere somatische Existenz für die meditative Praxis?